Die Bedeutung des Trennungsjahres für die Scheidung

Das (erste) Trennungsjahr sollen die Ehegatten dazu nutzen, ihre Entscheidung, zukünftig getrennter Wege zu gehen, zu überprüfen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen. Die Ehe kann vor Ablauf des Trennungsjahres daher nur in begründeten Ausnahmefällen geschieden werden.

Nach der Abkehr vom sog. Schuldprinzip in den 1970-er Jahren wurde vom Gesetzgeber bestimmt, dass eine Ehe geschieden werden kann, wenn sie gescheitert ist. Doch wann ist eine Ehe gescheitert? Hierüber kann sicher trefflich und mitunter auch erbittert gestritten werden. Das sollte jedoch mit der Abkehr vom Schuldprinzip gerade vermieden werden. Es wurde daher bestimmt, dass eine Ehe unwiderleglich gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten geschieden werden möchten. Darüber hinaus wurde gesetzlich bestimmt, dass die Ehe auch dann gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.

Das Kammergericht hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, was gilt, wenn die Ehegatten zwar länger als ein Jahr getrennt leben und ein Ehegatte die Scheidung beantragt, der andere aber nicht geschieden werden möchte.

Das Gericht entschied, dass eine Ehe auch dann geschieden werden kann, wenn aufgrund einer Prognose anzunehmen ist, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Für diese Annahme reiche bereits eine „einseitige Zerrüttung“ aus. Es genüge, wenn der scheidungswillige Ehegatte klar zum Ausdruck bringe, dass er unter keinen Umständen mehr bereit sei, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen.

Fazit:
Eine Ehe kann nach Ablauf des ersten Trennungsjahres auch dann geschieden werden, wenn nur ein Ehegatte dies möchte und sich klar positioniert.


Florian Striedter

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht