Das neue Insolvenzanfechtungsrecht

In der Insolvenzanfechtung können Insolvenzverwalter die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Rechtshandlungen des Schuldners anfechten und so Zahlungen des Schuldners von den jeweiligen Empfängern zurückfordern.

Ein Schwerpunkt der Reform sind die Änderungen im Rahmen der sogenannten „Vorsatzanfechtung“ des § 133 Insolvenzordnung (InsO).

Der Grundtatbestand des § 133 I InsO bleibt unverändert. Demnach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, von der drohenden Zahlungsunfähigkeit wusste und die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Der Anfechtungszeitraum wurde im neuen § 133 II InsO für die Fällen, in denen dem Gläubiger eine Befriedigung oder eine Sicherung gewährt wurde, auf vier Jahre verkürzt.

Der neue § 133 III InsO regelt die Anfechtung von kongruenten Deckungshandlungen. Eine kongruente Deckung liegt vor, wenn der Gläubiger eine Befriedigung oder Sicherung erhalten hat, die er in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte.

Gemäß § 133 III S. 1 InsO wird die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nur noch vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass bereits eine Zahlungsunfähigkeit vorlag. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist nicht mehr ausreichend.

Der Insolvenzverwalter muss nun beweisen, dass der Gläubiger Umstände kannte, die darauf hindeuteten, dass beim Schuldner nicht nur eine drohende sondern eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorlag.

Gemäß § 133 III S. 2 InsO sind Zahlungsvereinbarungen oder -erleichterungen bei kongruenten Deckungen kein Indiz mehr dafür, dass der Schuldner Zahlungsschwierigkeiten hat. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ist hier nicht mehr möglich. Wurde die Bitte auf Ratenzahlung jedoch unter dem Druck von Vollstreckungsmaßnahmen geäußert, so entspricht dies nicht den „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“. Hier ist es in der Praxis ggf. sinnvoll, dem säumigen Schuldner neben der bereits getroffenen Zahlungsvereinbarung eine weitere Zahlungserleichterung wie z.B. eine Ratenzahlung anzubieten, anstatt den Anspruch mittelbar, d.h. im Rahmen einer Zwangsvollstreckung, durchzusetzen. Durch die Zahlungsvereinbarung kann von der Vermutungsfolge des § 133 III 2 InsO profitiert werden, da nun die Vermutung gilt, dass der andere Teil von der Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis hatte.

Ein weiterer Schwerpunkt der Reform ist die Konkretisierung des Bargeschäfts (§ 142 InsO).

Nach § 142 I InsO sind Vorsatzanfechtungen bei Bargeschäften nur noch zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der Anfechtungsgegner erkannt hat, dass der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung unlauter gehandelt hat.

Eine Handlung ist unlauter, wenn der Schuldner sich darüber bewusst ist, dass er nach Vornahme dieses Rechtsgeschäfts nicht mehr in der Lage ist, die übrigen Gläubiger zu befriedigen und dazu ein besonderer Unwert erkennbar ist („wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankommt, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen“ (RegE v. 16.12.2015, BT-Drs. 18/7054, 19).

Zu beachten ist: Wurde ein erweiterter Eigentumsvorbehalt in der Form vereinbart, dass der Schuldner Eigentum an den erstandenen Sachen erst erwerben soll, wenn er nicht nur den Kaufpreis, sondern auch alle anderen oder zumindest bestimmte andere Ansprüche aus der Geschäftsverbindung bezahlt, fehlt es regelmäßig an der im Rahmen des Bargeschäfts erforderlichen Gleichwertigkeit zwischen den ausgetauschten Leistungen. Somit liegt kein Bargeschäft vor und eine Anfechtung nach § 142 InsO ist nicht möglich.

In § 142 II 1 InsO wird die Unmittelbarkeit konkretisiert. Die Leistung und die Gegenleistung müssen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, der Leistungsaustausch muss nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen.

Zwischen Leistung und Gegenleistung kann eine gewisse Zeitspanne liegen, der Leistungsaustausch muss nicht Zug-um-Zug erfolgen (bisher ca. 30 Tage). Das kongruente Rechtsgeschäft darf unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsbräuche aber nicht den Charakter eines Kreditgeschäfts annehmen. Im Falle einer „Kreditgewährung“ kommt ein Bargeschäft nicht in Betracht. Hier muss im Einzelfall entschieden werden, ob der Leistungsaustausch „unmittelbar“ entsprechend der jeweiligen Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs stattfand oder nicht.

Eine weitere Änderung zugunsten von Arbeitnehmern wurde durch die Privilegierung der Anfechtung von Arbeitsentgelt in § 142 II 2,3 InsO eingefügt. Lohnzahlungen können nun nicht mehr angefochten werden, wenn sie spätestens drei Monate nach der Arbeitsleistung erfolgen. Der Gesetzgeber gibt hier den engen zeitlichen Zusammenhang von drei Monaten vor. Lohnzahlungen können auch nicht mehr angefochten werden, wenn z. B. in einem konzernverbundenen Unternehmen ein Dritter anstelle des Schuldners an den Arbeitnehmer zahlt und dies für den Arbeitnehmer nicht erkennbar ist.

Änderung der Verzinsungsregelung (§ 143 InsO)

Bei Anfechtungsansprüchen werden Zinsen erst ab Verzugseintritt nach Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter fällig, nicht mehr wie bisher bereits ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Der Insolvenzverwalter muss daher erst den Anfechtungsgegner durch Mahnung oder Fristsetzung in Verzug setzen, bevor eine Verzinsung vorgenommen wird.

Dies gilt auch für bereits vor Inkrafttreten der Reform eröffnete Insolvenzverfahren, sofern der Anfechtungsgegner nicht bereits in Anspruch genommen wurde. Dadurch reduziert sich das Zinsrisiko für den Anfechtungsgegner deutlich.

Die neuen Vorschriften gelten für Insolvenzverfahren, die ab dem 05.04.2017 eröffnet werden. Insolvenzverfahren, die vor dem 05.04.2017 eröffnet wurden, unterliegen den bis dahin geltenden Vorschriften.


Ina Weimer

Dipl.-Wirtschaftsjuristin (FH)