Kindesanhörung bei Gericht

Im Streitfall wollte eine Mutter verhindern, dass ihr Ex-Partner und Vater des 4-jährigen Sohnes Umgang erhält. Das Gericht beabsichtigte den Sohn anzuhören. Trotz angedrohter Zwangsmaßnahmen vereitelte die Mutter alle vom Gericht bestimmten Termine. Sie nahm das Kind einfach nicht mit zu Gericht. Das Gericht ordnete daraufhin den Umgang mit dem Vater ohne Kindesanhörung an.

Wegen dieses Beschlusses wandte die Mutter sich nun an den Bundesgerichtshof (BGH) und wollte die Vollziehung des Umgangsrechts mit der Begründung aussetzen lassen: Das Gericht habe das Kind nicht persönlich angehört.

Der BGH wies die Beschwerde der Mutter ab und führte aus, ausnahmsweise könne auf die Anhörung verzichtet werden. Dies sei etwa bei kleinen Kindern der Fall, die sich noch nicht äußern können. Auf die Anhörung könne aber auch verzichtet werden, wenn dies zu einer sehr starken psychischen Belastung des Kindes führen würde, beispielsweise weil es in Loyalitätskonflikte zu den Eltern gestürzt wird. Die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts müsse dann hinter den Kindesinteressen zurücktreten. Hier habe die Mutter den Vater pauschal als Feindbild angesehen und ihn bekämpfen wollen. Sie habe den Umgang des Sohnes ohne Rücksicht auf das Kindeswohl verhindern wollen. In dieser Situation hätte eine zwangsweise gerichtliche Kindesanhörung den Vierjährigen zu stark belastet und in Loyalitätskonflikte gebracht.


Bernhard Schliesser

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht