3.700 € brutto – Mehr als eine Viertel Million € Abfindung. Wie geht das?

Eigentlich gar nicht. Gleichwohl gab es diese Vereinbarung der Stadt Iserlohn mit einem Verwaltungsangestellten. Der Angestellte verdiente rund 3.700,00 € brutto und war elf Jahre bei der Stadt beschäftigt. Die Stadt und der Angestellte schlossen ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung von 250.000,00 € zuzüglich einer erhöhten Abfindung bei vorzeitiger Beendigung (sogenannte „Sprinterklausel“).

Das Kündigungsschutzgesetz sieht Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers als Ausnahme vor. Das Kündigungsschutzrecht ist nämlich grundsätzlich Arbeitsplatzerhaltungsrecht. Unmittelbares Ziel einer Kündigungsschutzklage ist die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Gleichwohl verfolgen viele Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Gesetzliche Regelungen zur generellen Abfindung gibt es nicht, nur Richtwerte aus anderen Abfindungstatbeständen: Das ist die bekannte Formel von einem 1/2 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Nach der gesetzlichen Vorgabe für diese Abfindungshöhe (nach sog. „Auflösungsantrag“) ist das Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess Voraussetzung. Deshalb schlagen die Arbeitsgerichte oftmals Abfindungen unterhalb dieser Marge vor.

Wesentliche Kriterien zur Bestimmung/Verhandlung einer Abfindung sind die Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzprozess, das Risiko des Arbeitgebers, Lohn nachzuzahlen ohne Arbeitsleistung erhalten zu haben und in psychologischer Hinsicht der „Gesichtsverlust“ des Arbeitgebers. Hier obliegt es dem Verhandlungsgeschick des Rechtsanwalts eines Arbeitnehmers, die Schmerzgrenze des Arbeitgebers auszuloten.

250.000,00 € bei elf Beschäftigungsjahren und dem o.g. Bruttogehalt sind vollkommen überzogen. Nach der üblichen Formel wären max. 20.350,00 € angemessen, nicht das Zehnfache. Deswegen wurde u.a. gegen den Bürgermeister zwischenzeitlich Anklage vor dem Strafgericht mit dem Tatvorwurf der Untreue erhoben. Vor dem Arbeitsgericht scheiterte jedoch die Stadt Iserlohn mit dem Vortrag, der Abfindungsvertrag sei sittenwidrig, zudem sei der Personalrat nicht ausreichend informiert worden. Diese Mängel habe die Stadt selbst zu vertreten, dem Arbeitnehmer ist das nicht zuzurechnen, deshalb darf er die Abfindung behalten (vergleiche LAG Hamm, Urteil vom 15. Februar 2022 - 6 Sa 903 / 21).


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht