Das negative Arbeitszeitkonto

Das Arbeitsverhältnis wird beendet und der Arbeitgeber stellt fest, dass der Arbeitnehmer Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto hat. Er verrechnet die Minusstunden mit dem letzten Lohn, d. h. das letzte Entgelt wird gekürzt.

Zu Recht?

Arbeitszeitkonten kommen bei verstetigtem Entgelt (gleicher Lohn in jedem Monat) zur Anwendung. Hat der Arbeitnehmer mehr gearbeitet als vertraglich vereinbart, so erhält er ein Zeitguthaben (Plusstunden). Hat der Arbeitnehmer weniger gearbeitet als vertraglich vereinbart, so erhält er Zeitschulden (Minusstunden). Ohne eine Vereinbarung kann der Arbeitgeber ein Arbeitszeitkonto (einseitig) nicht einführen. Die Vereinbarung kann im Arbeitsvertrag erfolgen, möglich sind auch Betriebsvereinbarungen oder tarifliche Regelungen.

Das wirtschaftliche Risiko einer Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers trägt grundsätzlich der Arbeitgeber, er muss zahlen, wenn keine Arbeit für den Arbeitnehmer vorhanden ist. Dieses Risiko wird tendenziell durch ein Arbeitszeitkonto auf den Arbeitnehmer verlagert.

Daher unterliegt das Arbeitszeitkonto folgenden Regelungen:

Während des Urlaubs des Arbeitnehmers ausgefallene Soll-Arbeitsstunden sind auf dem Konto als Ist-Arbeitsstunden aufzunehmen, d. h. während des Urlaubs wird das Konto weiter aufgefüllt. Während der Krankheit des Arbeitnehmers ausgefallene Soll-Arbeitsstunden sind auch auf dem Konto als Ist-Arbeitsstunden aufzunehmen, d. h. während der Krankheit wird das Konto weiter aufgefüllt.

Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers einseitig durch Gewährung von Freizeitausgleich abbauen. Hierzu muss jedoch der Arbeitgeber deutlich machen, dass mit dieser Freistellung das Arbeitszeitkonto abgebaut werden soll.

Für Minusstunden gilt das spiegelbildlich nicht, der Arbeitgeber kann nicht ohne weiteres einseitig verrechnen, d. h. den Lohn kürzen. Hierzu bedarf es einer Vereinbarung, andernfalls muss dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden, die Minusstunden nachzuarbeiten.

Aber Vorsicht: Gehen die Minusstunden ausschließlich auf Freizeitwünsche des Arbeitnehmers zurück, so hat der Arbeitgeber durch das verstetigte Entgelt einen Vorschuss bezahlt. Dann kann zum Ende hin verrechnet werden. Beruhen die Minusstunden auf Arbeitsmangel/Auftragsmangel, so ist das verstetigte Entgelt kein Vorschuss, der Arbeitnehmer hat nämlich für diese Zeit nach § 615 BGB Anspruch auf Vergütung ohne Erbringung der Arbeitsleistung (vergleiche LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.10.2015 - 2 Sa 113/15).  Dann kann mit dem letzten Lohn nicht verrechnet werden.

Kann dann nach Überwindung dieser Hürden gleichwohl verrechnet werden, so sind die Pfändungsfreigrenzen nicht zu berücksichtigen.


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht