Geselle schikaniert Lehrling – fristlose Kündigung?

Ein Arbeitgeber stellte im August drei neue Auszubildende ein. Ein Geselle nahm dies zum Anlass, direkt für „klare Verhältnisse“ zu sorgen. Er drohte ihnen an, dass er ihnen „das Leben zur Hölle macht“, wenn sie mit ihm nicht gut auskämen. Das hat er dann auch getan: Er hat Spezialwerkzeug der Auszubildenden versteckt und deren übrigen Werkzeuge mit Öl eingeschmiert.

Nach der Reinigung des Arbeitsplatzes durch die Auszubildenden hat er mit der Luftdüse wieder Späne zurückgeblasen. Darüber hinaus äußerte er des Öfteren sexuelle Anspielungen – auch in Bezug auf deren Mutter (man kann das hier nicht wiederholen) – und nannte eine Auszubildenden „kleiner Hurensohn“. Nachdem der Arbeitgeber hiervon erfahren hat, hat er den Gesellen angehört und anschließend fristlose Kündigung ausgesprochen.

Hiergegen klagt der Geselle. Zu Recht? 

Die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist nur dann möglich, wenn ein ganz erheblicher Kündigungsgrund vorliegt, der eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses notwendig macht (§626 BGB). Legt der Arbeitnehmer vertragswidriges Verhalten an den Tag, so muss er regelmäßig zuvor abgemahnt werden, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann (im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes).

Umgekehrt ist der Arbeitgeber verpflichtet, Auszubildende zu schützen (Fürsorgepflicht). Gem. § 14 des Berufsbildungsgesetzes muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert, sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden. Für jugendliche Arbeitnehmer findet sich eine vergleichbare Regelung in § 28 Jugendarbeitsschutzgesetz. 

In dem vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass es der Geselle geradezu darauf abgesehen hat, die Auszubildenden zumindest psychisch zu schädigen. Es sind die Straftatbestände der Beleidigung, wenn nicht sogar der Nötigung erfüllt. Unter diesen Voraussetzungen (Erfüllung der Fürsorgepflicht) dürfte die fristlose Kündigung Bestand haben. Eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes Koblenz wird im Mai 2020 erwartet. Wir werden hier berichten.


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht