Nachstellen einer Kollegin - Kündigung möglich?

Arbeitnehmer können untereinander und aneinander Gefallen finden. Der Arbeitsplatz ist kein gefühlsfreier Raum. Wann sind jedoch Grenzen überschritten, wann kann deswegen gekündigt werden?

Ein Arbeitnehmer sagte gegenüber einer Kollegin in der Mittagspause, außerhalb des Betriebsgeländes: „Ich muss mich zurückhalten, Dich nicht zu überfallen. Ich würde Dich so gerne küssen. Wir haben uns noch nie berührt“.

Deswegen erhielt er eine Abmahnung und wurde in ein weit entfernteres Büro versetzt.

Dann ist der Arbeitnehmer in die „virtuelle Welt“ gewechselt, er hat die Kollegin mit Nachrichten überhäuft und Kontakt gesucht (Xing, Facebook, Messenger, Telegram). Die Kollegin hat das abgelehnt und ihn in den Telefonkontakten blockiert. Das hat den Arbeitnehmer nicht abgeschreckt. So hat er zum Beispiel eine finanzielle Notlage der Kollegin erfunden, um ihr im nächsten Schritt seine Hilfe anzubieten. Er hat auch aber auch gedroht, er werde die Möglichkeit weiterer Strafanträge gegen sie in Betracht ziehen. Die Arbeitnehmerin hat darunter gelitten, auch ihre Arbeitsleistung.

Dann war das Maß voll, der Arbeitgeber kündigte fristgerecht.

Zu Recht?

Ja, sagt das Landesarbeitsgericht (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2022 – 2 Sa 276/20), eine Weiterbeschäftigung war über die Kündigungsfrist hinaus nicht mehr zumutbar. Das beharrlich fortgesetzte grenzüberschreitende Verhalten des Arbeitnehmers ist eine schwerwiegende Verletzung der ihm obliegenden Rücksichtnahmepflicht. Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 14; BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 31).

Die Beharrlichkeit zeige zudem, dass eine Wiederholungsgefahr keinesfalls ausgeschlossen werden könne, auch nicht gegenüber anderen Mitarbeiterinnen.

Daraus ist abzuleiten, dass es auch diesseits der Grenze des strafbaren Verhaltens  Kündigungsmöglichkeiten gibt. Das Arbeitsverhältnis kann also schon dann beendet werden, wenn das Verhalten des nachstellenden Arbeitnehmers nicht den Tatbestand der sexuellen Beleidigung oder der sexuellen Belästigung (§ 184 i StGB) erfüllt, also straflos ist. Es genügt zudem, wenn diese Nachstellung einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat.


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht