Neue Erst-Erkrankung - immer Lohnfortzahlung?

Arbeitgeber fürchten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wie der Bauer ein Unwetter. Sie fühlen sich auch ebenso machtlos. Viel Aufregung verursacht es, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der ersten Entgeltfortzahlungsperiode eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt (neue Ersterkrankung). Dann sind weitere 6 Wochen Entgeltfortzahlung zu befürchten.

Zu Recht?
Der Arbeitgeber ist im Falle der Arbeitsunfähigkeit infolge (unverschuldeter) Erkrankung verpflichtet, für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung zu leisten, höchstens für 6 Wochen. Der Anspruch entsteht nach 4-wöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Treten nacheinander mehrere jeweils neue Erkrankungen auf, liegen wiederholte Erkrankungen vor -  mit der Folge, dass für jede Erkrankung der Entgeltfortzahlungszeitraum von maximal 6 Wochen neu beginnt.

Danach wäre also jeweils wieder Entgeltfortzahlung zu leisten.

Anders ist es, wenn die Zweit-Erkrankung eintritt, während der Arbeitnehmer noch aufgrund der Erst-Erkrankung arbeitsunfähig ist. Dann beschränkt sich der Entgeltfortzahlungszeitraum auf einmalig 6 Wochen, und zwar nach den Grundsätzen der Einheit des Verhinderungsfalls.

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lag keine Einheit des Verhinderungsfalls vor, wenn der Arbeitnehmer für wenige, in der Freizeit liegende Stunden arbeitsfähig gewesen ist (Stichwort: „Gesund im Wochenende“). Dann musste also erneut bezahlt werden.

Die neuere Rechtsprechung hält demgegenüber fest, dass ein gewichtiges Indiz für eine Einheit des Behinderungsfall dann vorliegt, wenn zwischen den Zeiten der ersten und der zweiten Arbeitsunfähigkeit nur ein für den Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt (BAG, Urteil vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18). In diesem Fall ist es dann auch egal, ob es sich um eine (wirkliche) Ersterkrankung handelt. 

Praxistipp: Endet die Ersterkrankung an einem Freitag und beginnt die Neuerkrankung am folgenden Montag, so spricht Vieles dafür, dass nicht nochmals Lohnfortzahlung zu leisten ist.


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht