Strafanzeige gegen Kollegen – Kündigungsgrund?

Ein Arbeitnehmer stellt im Zusammenhang mit der Arbeitsstelle dar, ein Kollege begehe Straftaten. Der behauptete Sachverhalt war wahr, ein Strafverfahren wurde jedoch eingestellt. Ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer, der die Behauptung aufstellt, gerechtfertigt?

Das Landesarbeitsgericht in Köln (Urteil vom 30.09.2020 - 5 Sa 231/20) nahm das zum Anlass, sich über die Folgen von Strafanzeigen unter Kollegen zu äußern. Das Gericht musste sich mit folgendem Fall auseinandersetzen:

Ein Professor (schwerbehindert) hat seinen Kollegen denunziert. Er hat ihm unter anderem den Missbrauch von akademischen Titeln vorgeworfen, zudem hat er ihn beleidigt. Die Tatsachen, die er dazu vortrug, stimmten. Das Verfahren gegen den Kollegen (wohl nicht durch den Professor veranlasst) wegen Titelmissbrauchs wurde gemäß § 153 StPO eingestellt. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Professor. Zu Recht?

Die Rechtsprechung nimmt an, dass eine Strafanzeige – die nicht ihrerseits eine Straftat darstellt - im Regelfall keine Kündigung rechtfertigt. Der die Anzeige erstattende Arbeitnehmer nehme staatsbürgerliche Rechte war.

Das gilt insbesondere dann, wenn der angezeigte Sachverhalt durch den Anzeigeerstatter zutreffend dargestellt wurde.

Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Anzeigeerstatter üble Motive verfolgt. Geschieht nämlich die Erstattung der Anzeige ausschließlich, um dem Arbeitgeber zu schädigen, bzw. „fertigzumachen“, so ist die Anzeige arbeitsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Anzeige verstößt dann gegen das arbeitsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Ein Kündigungsgrund erwächst daraus, wenn für den Denunzianten die Haltlosigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs erkennbar war.

Vorliegend hat der Professor schwerwiegend und schuldhaft gegen diese Pflicht zu Rücksichtsnahme verstoßen. Hinzu kamen noch weitere, nicht durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigte Beleidigungen.

Die Kündigung war wirksam, da half dem Professor auch die Schwerbehinderteneigenschaft nichts.


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht