Unwirksamer Aufhebungsvertrag – Gebot fairen Verhandelns

Einer Arbeitnehmerin („Teamkoordinatorin Verkauf“) wurde vorgeworfen, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV des Arbeitgebers abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.

An einem Nachmittag wurde sie von dem Geschäftsführer des Arbeitgebers zum Gespräch gebeten, anwesend für den Arbeitgeber war weiterhin ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht. Vorher wurde ihr der Vorwurf nicht mitgeteilt. Der Arbeitnehmerin wurde dann ein vorbereiteter Aufhebungsvertrag vorgelegt. Nach einer längeren, etwa zehnminütige Gesprächspause unterzeichnete die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrag.

Danach ließ sie die Anfechtung des Vertrages erklären. Sie war der Ansicht, sie sei durch widerrechtlicher Drohung mit einer fristlosen Kündigung, einer Strafanzeige und „sonstigen negativen Weiterungen“ zum Abschluss des Aufhebungsvertrages bestimmt worden. Sie hat entsprechende Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben, das Arbeitsgericht (erste Instanz) hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Arbeitgebers hin abgewiesen.

Nunmehr war das Bundesarbeitsgericht gefragt:

Auch hier war die Arbeitnehmerin unterlegen. Die Drohung mit einer fristlosen Kündigung sei nicht widerrechtlich. Ein verständiger Arbeitgeber dürfe nämlich nach seinem vorangegangenen Verhalten sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung, als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Der Arbeitgeber habe auch nicht unfair verhandelt. Die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin sei nicht dadurch verletzt worden, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hatte und die Arbeitnehmerin deswegen sofort entscheiden musste (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21)

Damit hat das Bundesarbeitsgericht eine vermeintlich offene Tür nach dem Urteil vom 7. Februar 2019 gut geschlossen. Im Jahr 2019 hat es festgestellt, dass eine unfaire Verhandlungssituation dann vorliegen könne, wenn die Nutzung eines Überraschungsmoments die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigt (Überrumpelung). Letztlich sei jedoch immer die konkrete Situation im Einzelfall zu bewerten. Nach der aktuellen Entscheidung spielt also die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung eine erhebliche Rolle bei der Frage, ob eine unfaire Verhandlungssituation geschaffen wurde.


Dr. Werner Wengenroth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht